Eine Zeit der großen Veränderungen kam auf uns, meinen Troll und mich zu. Und zuerst kamen die Offenbarungen! 3 schwere Traumnächte informierten uns, zuerst nur den Troll, der mich dann wiederum informierte, über kommende Schicksalsereignisse....

In der 1. Nacht träumte ich ich sei der 8. von 7 Zwergen, der zwar nicht küsst aber das Schneewittchen heiratet. In diesem Traum erwachte sogar das Dornröschen ganz von selber, ohne daß ein schöner oder unschöner Prinz angeritten kam, um es aus den Fängen von stacheligen Ranken zu befreien, die direkt aus ihrer Prinzessinnen-Psyche in den Himmel der Liebe erwuchsen.
In der 2. Nacht führte ich mit dem biblischen Onan lange Diskussionen, bis ich ihn schließlich am Abend des 6. Tages im Traum, stellvertretend für seinen Gott, erschlug, um mich am 7. Tage auszuruhen. Dann kam Charles Darwin herbei und verwandelte sich in eine Elfe (ein außerirdisches Superwesen, das Welten erschaffen konnte).
Und in der 3. Nacht irrte ich im Traum durch ein Labyrinth aus Minotauren, die, wie Marionetten, an roten Fäden hingen und sich um mich – Gassen zum Spießrutenlauf bildend - formierten wie Pappmaschee-Gespenster in der Geisterbahn. Dazu hörte ich eine Sirene so laut wie einst Elidana stöhnen und erwachte schließlich schweißgebadet in eine verrückte Realität hinein.

Das Telefon hatte geklingelt! Am anderen Ende der Leitung war Frau Restöv um mir einen Änderungsvorschlag zu unterbreiten. Sie wollte den Termin zum Malunterricht um 2 Stunden nach hinten verlegen, da sie es romantischer fand bei einsetzender Dämmerung anzutanzen.

Auch bei mir setzte ebenfalls eine Dämmerung ein – mir wurde angst und bange. Was konnte ich tun, wenn sie ausrastete? Dann würde niemand mehr im Haus sein! Inzwischen hatte ich nämlich mit ihrem Mann telefoniert und der hatte mir verraten, daß die beiden inzwischen aus diversen „Sicherheitsgründen“ getrennt lebten. Sie waren nicht geschieden, aber sie wohnten nicht mehr zusammen.
Das hatte folgenden Grund: Die zierliche, kleine Frau Restöv hatte seltsame Anfälle zelebriert, in denen sie Riesenkräfte entwickeln konnte. Dabei hatte sie angeblich Türen aus den Angeln gerissen, Möbel umgeworfen und Geschirr mit bloßen Händen zerquetscht.
Das erschütterte mein Selbstbewusstsein in den Grundfesten.

Zwar hatte ich mich mit Angelinas Ehemann, dem süditalienischen Meister im Gewichtheben, im Armdrücken verglichen, was unentschieden ausging, aber mich mit einer Wahnsinnigen einzulassen, das regte dann doch meine Phantasie an. Ich rechnete mir da keine sehr großen Chancen aus, als ich erfuhr, daß man 3 Sanitäter gebraucht hatte, um die kleiner Restöverin festzuhalten. Mir grauste vor romantischen Abenden im Atelier, versuchte jedoch „männlich“ entschlossen in die Zukunft zu schauen.

Der Abend kam, es war Herbst und die Dunkelheit brach herein. Auf der Straße unter meinem Atelierfenster wandelte wieder jene seltsame Frauengestalt, die schon einmal nicht zu mir herauf gefunden hatte. Mir wurde flau im Magen! Natürlich taumelte ich hinunter zu ihr und geleitete sie in mein Arbeitsrefugium in der Altstadt. Nebenbei bemerkte ich, daß mit ihrem Blick etwas nicht stimmte... Ihre Augen glitzerten auffällig, so, als würde sie Dinge sehen, die mir bisher entgangen waren. Hatte sie meinen Troll erblickt? Konnte sie die Wände des Holodecks sehen? Blickte sie weit ins Universum hinaus, wo die Raumschiffe der Elfen patrouillierten und sie sich ausdachten welches Bein sie mir heute stellen konnten?
Oder war sie gar Gozzilla Gottshäusers ansichtig geworden, dessen gläserne Erscheinung mir bisweilen entging?
Ich konnte es nicht Erfahrung bringen, wohl aber die gute Frau ohne weitere Komplikationen in mein Atelier geleiten. Die Komplikationen sollten aber leider erst noch kommen. Die Elfen hatten viel Phantasie und das Holodeck bot ihnen alle nur erdenklichen Möglichkeiten.

Ich hingegen hatte eine Vision! Für den Bruchteil einer Sekunde erkannte ich die Wände des Holodecks: Die Zeit erschien mir quasi bildlich und aus ihren Schichten starrten mich die Gesichter der Toten an, die mich als Lebende ein Stückchen begleitet hatten. Ich erstarrte...
und im gleichen Augenblick erstarrte meine Malschülerin! Aber sie er-starrte nicht nur, sie starrte mich an wie eine Medusa! Mir wurde übel, ich schwankte in meiner Lebensblase hin und her, dann begann Frau Restöv zu schwanken. Mein Troll schrie in mir auf – auch er wollte nicht akzeptieren was sich da abzuzeichnen begann. Hatten wir nicht schon genug Schwierigkeiten?! Doch allen Ängsten und Wünschen zum Trotz geschah das Unglaubliche: Frau Restöv rutschte im Zeitlupentempo von ihrem Stuhl vor der Staffelei!

Es wurde Zeit mich aus meiner Fassungslosigkeit zu befreien, sonst würde noch ein großes Unglück geschehen. Geistesgegenwärtig – sofern man bei mir überhaupt von Geist sprechen kann – sprang ich unter den stürzenden Körper und fing ihn auf! Dabei machte es „Klock“. Ich kam mit der Last wieder aus der Kniebeuge hoch, das fast leblose Fleisch im Arm, und trug es ( war die Frau nur betäubt oder tot?) hinüber zur Sofa-Ecke, wo ich es vorsichtig ablegte.
Dann sah ich die Bescherung: Frau Restöv musste sich im Fallen den Kopf am nahen Arbeitstisch gestoßen haben. Sie hatte Blut an der Schläfe!

Ich hörte schon die Kriminalpolizei fragen „...und als sie sich gewehrt hat, haben sie die Frau erschlagen um sich an ihrem Leichnam zu vergehen! Sie haben gewusst, daß sie geistig verwirrt ist und sie für ein leichtes Opfer gehalten...ist es der Kerzenständer dort drüben gewesen, den sie als Mordwerkzeug benutzt haben?“
Was sollte ich tun? Sollte ich jetzt sofort einen Krankenwagen rufen – vielleicht war sie ja noch gar nicht wirklich verstorben. Dann wäre höchste Eile geboten!
Ich fragte mich noch schnell ob wohl, oder inwieweit Nimmich die Hexenmutter hinter diesem Anschlag auf mein Ansehen steckte, ob sie sich jetzt die Hände rieb, weil sie endlich Gelegenheit bekommen würde mich von ihrer Tochter Dingsbums zu trennen. Wenn ich eingesperrt würde hätte Dingsbums eine reelle Chance zur Besinnung zu kommen.

Doch dann hatte das Schicksal ein Einsehen: Der vermeintliche „Leichnam“ der seltsamen Malschülerin, welcher vor einer Minute noch völlig starr und ohne zu atmen auf dem Sofa lag, begann sich zu regen... Sie atmete! Frau Restöv atmete wieder!
Ich hätte zusammen mit meinem Troll die höchsten Luftsprünge machen können, so glücklich war ich darüber, daß mich die Elfen nicht in den finstersten Teil des Holodecks, den Knast schickten, sondern mir nur einen weiteren Schock im Leben verpassen wollten.

Frau Restöv setzte sich auf. Ihr unbeschreiblicher Gesichtsausdruck deutete auf unglaubliche Gewalttätigkeiten hin – ich spannte meine Muskeln und bereitete mich auf den nächsten Überfall des Schicksals vor. Aber es kam wieder einmal anders als „man“ denkt.
„Wer sind sie?“ fragte die soeben Erwachte, aus ihrem Zustand heraus, der irgend etwas zwischen Trance und Wachen zu sein schien.
„Mein Name ist Troll und wir sind hier noch vorhin beim Malen gewesen, als sie plötzlich vom Stuhl gefallen sind“, erwiderte ich heiser, einen Tobsuchtsanfall meiner Malschülerin erwartend.

Aber der blieb zu meinem Glück aus. Gozzilla Gottshäuser winkte mir gläsern – vor dem dunklen Atelierfenster stehend - aus zu und hinter ihm beleuchtete die Straßenlaterne von draußen seine grinsenden Züge. Dann verschwand er und der Spuk war vorbei!
Frau Restöv verabschiedete sich und ging ihrer Wege. Wohin sie ging wollte ich gar nicht mehr wissen, sollte sie sich doch sonst wohin verlaufen. Ich konnte ihr nicht mehr helfen...wenigstens heute nicht.
Ich schwang mich aufs Fahrrad und strebte meiner Wohnung in der Vorstadt zu.

Zuhause angekommen machte ich den Fehler Dingsbums von meinem Malheur zu berichten, was mir sofort einen Schwall guter Ratschläge einbrachte. Dies und jenes hätte ich tun sollen, vor allem aber endlich einen richtigen Beruf ergreifen und mich nicht mit zwielichtigen Gestalten herumtreiben, die mich nur in Teufels Küche brächten.
Daraufhin nahm sie mich zum Trost in den Arm, führte mich ins Schlafzimmer und verwöhnte mich dort so lange bis ich wieder hoffnungsvoll in die Zukunft blicken konnte...das träumte ich, aber es trat nicht ein. Die Wirklichkeit sah anders aus.

Sie ging zu Schlaudia hinunter, die eine Etage unter uns residierte, wo sie ihr Lieblingsgetränk, einen „Spritz“ zu sich nahmen und sich über meine Unfähigkeit praktisch an mein Leben heranzugehen lustig machten.
Ich machte den Fernseher an und schaute mir begeistert einen alten Schmachtfetzen an: „Psycho“ von Alfred Hitchcock. Das löste mich etwas aus meinen Schockzustand, so daß ich danach ruhig einschlafen konnte.

Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  33

© Alf Glocker


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Kommentare zu "Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  33"

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  33

Autor: Sonja Soller   Datum: 29.09.2022 12:49 Uhr

Kommentar: Sehr phantasiereich und aufregend geschrieben, lieber Alf!
Wieder gerne gelesen!!

Herzliche Grüße aus dem herbstlichen Norden, Sonja

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  33

Autor: Alf Glocker   Datum: 30.09.2022 17:41 Uhr

Kommentar: Danke dir liebe Sonja!

Herzl Grü aus dem irgendwas Süden
Alf

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